Nicht selten begegnen wir nach einer chirurgischen Behandelung der Organe in der Beckenhöhle oder in der Beckengegend einem unangenehmen Fall, bei dem eine zeitweilige Blasenlähmung also eine Besch werde der Harnentleerung infolge der Behandelung eintritt. Um die Bedingung des Auftretens solcher Erscheinung zu bestimmen, stellte der Verf. am Hunde folgende Versuche. Für die Bestimmung des Tonusgrades der Harnblase hat der Verf. einen Urethralkatheter in die Harnblase eingeführt, dessen äussere Ende mit einer mit warmem Wasser gefüllten, graduierten Mariotteschen Flasche verbunden war. In der Mitte der Verbindung schaltete man ein T-förmiges Glasrohr ein, dessen Seitenast mit einem Wassermanometer verband, sodass man an der Höhe der Wässersaule im Manometer die Veränderungen des inneren Druokes in der Harnblase, d.h. die Veränderungen des Tonus des M. detrusor urinae erkennen liess. Die Veränderungen des Blasentonus, die nach der Durchschneidung der beiderseitigen Nn. pelvici (nach Langley) und Nn. hypogastricl eintraten und mittels der oben erwähnten Einrichtung beobachtet wurden, waren wie folgt: 1) Am ersten bis zweiten Tag nach der Durchschneidung der Nn. pelvici konnte man in die Harnblase 1 1/2 oder 2mal mehr Flüssigkeit als bei normaler Zeit einführen. Das deutet darauf hin, dass der Tonus beträchtlich entspannt war. Aber am dritten Tag nach der Operation wurde die einfuhrbare Quantität der Flüssigkeit fast so gross wie unter normalen Bedingungen, woran man die Funktionswiederkehr des Tonus erkennen konnte. Der Binnendruck der Harnblase, der in normaler Zeit erheblich gesteigert werden kann, zeigte durch den Manometer, dass während der zwei Tage nach der Operation fast keine Drucksteigerung herbeiführen konnte. Auch das Symptom der Harnretention, welches nach dieser Operation regelmässig auftrat, konnte man nur während zweier Tage beobachten; am dritten Tage nach der Operation war die Blase schon imstande, aus eigenem Antrieb den Harn zu entleeren. 2) Bei der Durchschneidung der Nn. hypogastrici konnte man auch erkennen, dass die in die Harnblase einführbare Menge der Flüssigkeit am ersten und zweiten Tag nach der Operation auf die Hälfte der normalen Menge und darunter sank. Vom etwa dritten Tag an konnte man genau so viel wie vor der Operation einführen. In diesem Fall war auch der Tonus nach der Durchschneidung beträchtlich entspannt, was man aber ebenfalls nur während einiger Tage beobachten konnte. Dabei wurde erkannt, dass der Binnendruck der Blase, der im Manometer zum Ausdruck kam, keine Abweichung vom normalen Wert zeigte. Auch das Symptom der Harnretention konnte man nicht beobachten. Durch die oben geschilderten zwei Untersuchungen wurde feststellt, dass die Durchschneidung der genannten zwei Arten von Nerven beträchtliche Verminderung des Blasentonus hervorruft, welcher jedoch nach zwei oder drei Tagen wieder zum Norm zurückkehrt. Daraus kann man schliessen, dass ein sekundäres Zentrum irgendwo in der Nahe der Harnblase liegt, welches den Tonus der Blase beherrscht, falls das Blasenzentrum im Rückenmark durchgeschnitten war. Über die Stelle, wo das Zentrum neuentsteht, wird der Verf. in der II. Mitteilung ausführlich beschreiben.