Es ist noch nicht klar, ob beim Organbefund hinsichtlich der verschiedenen Anaphylaxiearten ein Unterschied bemerkt wurde. Über die aktive Anaphylaxie berichtete Verfasser schon in der I. Mitteilung. In dieser II. Mitteilung untersuchte er die Gewebsreaktion bei passiver und inverser Anaphylaxie. Bei letzterer war die Anwendung von Antigen und Antikörpern umgekehrt als bei der passiven. Das Meerschweinchen wurde mit Antipferdeserum von Kaninchen sensibilisiert und die geeignete Antigenmenge in die Bindungszone reinjiziert und bei inverser Anaphylaxie die Injektionsweise umgekehrt ausgeführt. Statt Pferdeserum benützte Verfasser auch Hühnerrote als Antigen zur Reinjektion bei durch Antihühnerrote sensibilisierten Meerschweinchen um das Schicksal der kernhaltigen Rote in verschiedenen Organen zu verfolgen. 1) Der Verdünnungstiter und die Bindungezone des Immunserums wurde nach Ogata'scher Methode bestimmt. Mit 500 Einheiten von Präzipitin sensibilisierte er das Meerschweinchen und nach 24 Stunden reinjizierte er Antigen in verschiedener Menge in die Bindungszone, wobei er einen typischen anaphylaktischen Schock hervorrufen konnte. Durch die Reinjektion der der Bindungezone entsprechenden Antigenmenge konnte er typischen Schocktod und durch die einem Viertel der Bindungszone entsprechende Antigenmenge konnte er einen milden Schock erzeugen. Nach Verlauf einer 24 stundigen Inkubationszeit nach der Sensibilisierung mit dem Antihühnerroteimmunserum von Kaninchen reinjizierte er 0.2 cm von 10%iger Hühnerroteemulsion intravenös und konnte den Schocktod hervorrufen, doch dauerte bei Erythrozytenanaphylaxie die Inkubation bis zu den Schocksymptomen nach Antigenreinjektion länger als bei Serumanaphylaxie. 2) Der mikroskopische Befund zeigt keinen grossen Unterschied zwischen durch aktive oder passive Anaphylaxie verendeten Tieren, nur sieht man in Bezug auf kleine Gefässveränderungen eine leichtere, in Bezug auf Epithelveränderungen eine stärkere Veränderung bei passiver Anaphylaxie als bei aktiver Anaphylaxie. (Si ehe Fig. 1.) 3) Es gibt auch leichte Unterschiede zwischen passiver und inverser Anaphylaxie. Der Unterschied zwischen aktiver und passiver Anaphylaxie ergibt sich auch bei diesem vergleichenden Studium. Der merkwürdige Unterschied zwischen beiden Anaphylaxien besteht in der Veranderung durch Schädigung des Blutgefässsystems und der von parenchymatösen Epithelzellen. Bei der passiven Anaphylaxie beobachtet man hauptsächlich Hyperämie und Haemorrhagie von Blutgefässen, perivasculares Oedem und als Nebenerscheinung eine Vergrösserung der Glomerulus und Verödung des Milzsinusendothels. (Siehe Fig. 2, _3 u. 5.) Bei der inversen Anaphylaxie beobachtet man mannigfaltige degenerative Veränderungen von Leberzellen, Anschwellung und Verödung von Harnkanalchenepithelen und Herzmuskelzellen. 4) Bei der passiven Anaphylaxie, wobei als Antigen Hühnerrote benutzt wurde, kann man keine kernhaltigen Hühnerrotezellen im Gewebe beobachten, was wahrscheinlich auf der Hämolyse unmittelbar nach der Injektion beruht. 5) Die Gewebsreaktion bei der Anaphylaxie, wie Doerr, Rössle, Masugi u. a. angaben, ist die Folge von Antigen-Antikorperreaktion im Endthel von Blutgefässen. Daraus-kann man schliessen, dass die Störung des Blutgefässsystems primär hervorgerufen wird, dagegen die mannigfaltigen degenerativen Veränderungen der parenchymatösen Zellen sekundär verursacht werden, weil diese durch das Gefässsystem genährt werden. Die vorbehandelten Antikörper binden sich bei passiver, und die erst injizierten Antigene bei inverser Anaphylaxie mit dem Gefässendothel und reagieren dann auf sekundär eingeführte Antigene oder Antikörper. Man erkennt so die primäre Gefässveränderung und die sekundäre parenchymatöse Veränderung an der Permeabilitätstörung des Gefässes.