An dem Vorkommen einer kongenitalen Tuberkuloseinfektion ist nach heutigen Anschauungen nicht mehr zu zweifeln, wenn sie auch zu den Seltenheiten gehört. Strittig ist aber noch vielfach die Art der Infektion. Calmette, Arloing, Granzow u. a. gelangen neuerdings auf Grund ihrer Versuche zu der Annahme, dass der Virus der Tuberkulose in ultravisibler, filtrabler Form diaplazentar von der extragenital tuberkulösen Schwangeren auf die Frucht übergehen kann.
Die Verbesserung der Lungenaufnahmeteclnik durch Verwendung geeigneter Röhren mit kleinem Brennfleck oder analog wirkendem Brennband und guten Platten bzw. Filmmaterial hat es auch ermöglicht, äusserste Feinheiten der Lungenstruktur des Neugeborenen sichtbar zu machen.
Ich hatte grosse Interesse für den Thoraxbefund bei den Neugeborenen und so stellte die regelmässigen, radiographischen Untersuchungen von ca. 200 Neugeborenen direkt nach der Geburt an.
Aus diesen Untersuchungen kam ich zum folgenden Schlusse.
1) In diesen Röntgenuntersuchungen kann ich weder Tuberkulose noch Anschwellung der Bronchialdrüsen erkennen.
2) In 8% aller Fälle sehe ich stark verdickte Aeste, welche vom Lungenhilus ausgehen und sich nach oben, aussen und abwärts erstrecken d. h. den sog. abnormen Schatten. Solche Strahlenstrukturen der Lunge sind teils durch die Gefässe, teils durch die Bronchien erzeugt und so nehme ich an, dass sie ale physiologisch zu sehen sind.
3) In 46.2% aller Fälle sehe ich scharfbegrenzte, haarfeine, horizontal verlaufende Konturen d. h. Haarlienien, die am häufigsten rechts im 5. Interkostalraum auftreten. Man wird daher diese Haarlinie nicht mehr ale etwas Pathologisches ansehen dürfen.
4) Beim totgeborenen Kinde ohne Atmung wird die Brust von einem gloichmässigen Dunkel beherrscht, da Lunge und Herz nicht entfaltet sind und die Rippen einen spitzen Winkel mit der Wirbelsäule bilden. Wenn die Atmung bereits eingesetzt hatte, so zeigen die Röntgenbilder eine gewisse Struktur und der Umfang der Brust ist verändert. In normalen Fällen zeigen die Lungen schon fünf Minuten nach der Geburt volle Entfaltung und stehen die Rippen im rechten Winkel zu der Wirbelsäule oder gehen sogar leicht nach oben, sodass der Brustkorb zylindrische Form erhält.
Bei frühgeborenen und debilen Kindern, sowie bei solchen, welche bei der Geburt asphyktische Erscheinungen gezeigt hatten, finden sich häufig atelektatische Bilder.
5) Ich erkenne nicht eine merkbare Beziehung zwischen Lungenbild und klinischem Befund, besonders Körpertemperatur und Pulszahi.
6) Die Pirquetsche Tuberkulinreaktion (in 30 Fällen) fiel in einer Stunde nach der Geburt alles negativ aus.
7) Der röntgenologische Transversaldurchmesser der Lungenbasis von Neugeborenen beträgt durchschnittlich 92.95±0.27mm und der von Frühgeborenen 81.97±0.15mm.
8) Der Stand der rechten Zwerchfellkuppel liegt meistens auf der 8. Rippe und der der linken auf dem 8. Interkostalraum.