Die Entstehung der paradoxen Erscheinung, welche 1901 Neisser und Wechsberg bei der Bakteriolyse des Immunserums in vitro beobachtet hatten, ist noch nicht übereinstimmend erklärt, während sie als experimentelle Tatsache feststeht. Der Verfasser studierte dieses Phänomen beim Kaninchenserum mit Bezug auf Hühnerblutkörperchen und die Beziehung zwischen Hemmungszone der Hämoagglutination und Komplementablenkung in dieser Zone durch Komplementbindungsreaktion. Dabei wurde die Komplementbindung durch Zusatz des ziegenhämolytischen Systems nachgeprüft und der Komplementwert des Abgusserums direkt bestimmt. Er kam zu folgenden experimentellen Resultaten. 1) Die Komplementbindungsreaktion bei Hämoagglutinine wird wie folgt ausgeführt. Als Antigen wird die gut gewaschenen Hühnerblutemulsion in verschiedenen Prozentsätzen benützt, und das aktive oder inaktive, gegen Hühnerblut hergestellte Kaninchenimmunserum absteigend verdünnt und der Blutemulsion zugesetzt. Dabei wird das Meerschweinchenserum als Komplement hinzugefügt. Diese Mischungen werden wie gewöhnlich in Brutofen bei 37°C 1 ½ Stunden lang aufbewahrt. Danach wird das ziegenhämolytische System hinzugefügt und 1 Stunde lang im Brutofen aufbewahrt. 2) Bei dem frisch-aktiven oder bei 56°C 30 Minuten lang inaktivierten Immunserum gegen Hühnerrote trat das Neisser-Wechsbergsche Phänomen in der Komplement-bindungsreaktion auf. Dieser negative Teil stimmt beinahe mit der Hemmungszone der Hämoagglutination bei grossen Immunserummenge überein. Wenn das Komplement in diesem Medium vorhanden ist, so bleibt das Komplement im freien Zustande, weil das Abgussserum mit unverändertem Komplementwert beobachtet wird. 3) Hühnerserum und Hämoglobin werden zum Kontrollversuch als Antigen statt Blutkörperchen benützt und das Resultat ist negativ. Mit gleicher Serummenge bleibt auch die Präzipitinreaktion mit Hühnerserum und Hämoglobin negativ. Wenn aber die Stroma des Blutkörperchens als Antigen angewandt wird, so zeigt die Komplementbindung, wie bei Blutkörperchen, eine positive Reaktion. 4) Die unter gleichen Bedingungen ausgeführte Hämoagglutination und Komplementbindungsreaktion stimmen sowohl in positiver als auch negativer Reaktion, besonders in der Hemmungszone, beinahe überein. 5) Es wird hier durch die Ansicht verstärkt, dass für die Entstehung des Neisser-Wechsbergschen Phänomens der mit Blutkörperchen als Antigen ausgeführten Komplementbindung das Mengenverhältnis zwischen Immunkörper und Antigen eine gewisse Rolle spielt, und dass bei Überschuss von Immunkörper das Prozonenphänomen auftritt. Dabei bleibt die Reaktion negativ und das Komplement in diesem Medium frei.